Evolution & Geschichte

Evolution und Fortpflanzung

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Sexualität dient aus biologischer Sicht in erster Reihe der Entstehung von Nachkommen, also dem Erhalt der Art.

Frühe Lebensformen wie Bakterien, Pilze und auch einige Pflanzen vermehren sich durch Zellteilung (Mitose). Dadurch entstehen Zellen, die mit der Ursprungszelle identisch sind. Vermehrung und Wachstum vollziehen sich mit geringem Aufwand. Das Prinzip der ungeschlechtlichen Teilung ist seit Milliarden von Jahren bewährt.

Vor etwa 600 Millionen Jahren, als die Zellkerne mancher Lebewesen bereits komplexe Chromosomensätze enthielten, entwickelte sich eine grundsätzlich andere Form, die Art zu erhalten und sich fortzupflanzen: In zwei Organismen mit Chromosomensätzen, die im Detail unterschiedlich sind, trennen sich Zellen und Zellkerne nicht zu einem identischen Doppel auf, sondern sie teilen sich und enthalten dann nur noch den halben Chromosomensatz (Meiose). Wird eine solche Zelle mit halbem Chromosomensatz, eine Keimzelle, mit einer Keimzelle mit ebenfalls halbiertem Chromosomensatz eines anderen, passenden Lebewesens verschmolzen, so bildet sich eine Zelle, die die wesentlichen genetischen Botschaften der beiden Einzel-Lebewesen zwar enthält, trotzdem aber einen – dann wieder vollständigen - Chromosomensatz enthält, der eine Mischung aus beiden Eltern darstellt.

Aus dieser Zelle entwickelt sich dann schrittweise ein neues, vollständiges Lebewesen. Dass diese sehr aufwändige, komplizierte Art der Fortpflanzung sich bei fast allen Tieren und auch bei den meisten Pflanzen durchgesetzt hat, liegt daran, dass die Mischung der Chromosomensätze offensichtlich Vorteile mit sich brachte. So ist denkbar, dass Fehler im Chromosomensatz besser ausgeglichen werden können oder dass Immunproteine in den Nachkommen dadurch eine größere Vielfalt haben.

Sexualtrieb – über weite Lebensphasen zwingend

Dass männliche und weibliche Individuen zufällig aufeinander treffen, um sich im ebenso zufälligen Kontakt ihrer Fortpflanzungsorgane fortzupflanzen, ist extrem unwahrscheinlich. Deshalb entwickelt die Natur einerseits in jeder Art - von Pflanzen bis Primaten - ein Übermaß an männlichen Keimzellen, um die Wahrscheinlichkeit für eine Befruchtung zu erhöhen. Auf der anderen Seite haben sich ganz unterschiedliche Arten von Locksystemen entwickelt, so dass Individuen vom Typ A in bestimmten Perioden sämtliche Aktivitäten reduzieren außer der, zu Individuen vom Typ B zu gelangen mit dem einzigen Zweck, die gegenseitigen Fortpflanzungsorgane zu verbinden, Zellen mit halbiertem Chromosomensatz zu mischen und das Heranwachsen des neu entstehenden Individuums zu sichern.
Die biologischen Abläufe des Anlockens, der Selektion eines geeigneten Partners und der Verbindung der Fortpflanzungsorgane sind in bestimmten Phasen des Lebenszyklus weitgehend zwingend. Die Natur hat nicht vorgesehen, dass sich Lebewesen diesen biologischen Abläufen – abgesehen von Situationen der Lebensgefahr - entziehen können, denn sie sind zwar nicht für das Überleben des einzelnen Individuums, wohl aber für den Erhalt der Art essentiell notwendig.

Während die Vermehrung durch Zellteilung „vegetativ“, also „pflanzlich“ genannt wird, wird die Vermehrung durch die Vereinigung vorher halbierter Chromosomensätze „sexuell“ oder „geschlechtlich“ genannt. Bei den allermeisten Lebewesen, die sich sexuell vermehren, gibt es zwei Lebensformen, die sich immer an einer kleinen Menge von Chromosomen-Merkmalen unterscheiden. Sie werden „weiblich“ und „männlich“ genannt.

Sexualität in der Geschichte der Menschheit

Sexualität dient aus biologischer Sicht in erster Reihe der Entstehung von Nachkommen, also dem Erhalt der Art. Gleichzeitig leben intelligente Lebewesen meist in sozialen Gefügen zusammen, in denen es um Schutz und Zusammenhalt, Angriff und Flucht, um Macht, Nahrungssuche, Aufzucht der Jungtiere, Anpassung an unterschiedliche Umweltbedingungen geht. In solchen organisierten Gefügen hat die Sexualität oft Funktionen, die über den Arterhalt hinausgehen. Die hormonellen Veränderungen im Rahmen sexueller Abläufe lösen Rivalenkämpfe, Balz, Nestbau und oftmals ein sehr weitgehendes Schutzverhalten gegenüber den Jungtieren aus.

Monogamie (sexuelle Verbindung nur mit einem Partner) – zumindest Monogamie für jeweils eine Brutsaison – ist vor allem bei einigen Vogelarten bekannt, bei Rudel- und Herdentieren und bei Primaten dagegen nur begrenzt. Monogamie hat sich überall dort durchgesetzt, wo sie die Chancen für eine erfolgreiche Aufzucht der Jungtiere verbessert. Anthropologen nehmen neuerdings an, dass Monogamie oder zumindest Einschränkungen der Polygamie (sexuelle Verbindung mit unterschiedlichen Partnern) in der Menschheitsgeschichte auch noch weitere biologische Vorteile mit sich gebracht haben könnte, und zwar dadurch, dass Monogamie das Risiko einer Ansteckung mit sexuell übertragbaren Infektionen und eine nachfolgende Unfruchtbarkeit senkt.

Im Lauf der Jahrtausende der Menschheitsgeschichte entwickelten sich zahlreiche Gebote und Verbote, um chemisch-hormonelle Lock- und Paarungs-Automatismen, also den sexuellen Urtrieb, die Wahl der Sexualpartner und die Dauer von Paarbeziehungen in Normen einzubinden: Reifungs- und Binde-Rituale, gesellschaftliche Schranken bei der Partnerwahl, Auswahl der Sexualpartner durch Eltern und die Großfamilie, ökonomische Aspekte, starke Rollenerwartungen an Frauen und Männer in den jeweiligen Partnerschaften und in ihren Verpflichtungen gegenüber den gemeinsamen Kindern, und oftmals drastische Strafen beim Übertreten gesellschaftlich definierter Normen.

Um dem biologischen Diktat zu entgehen, dass eine sexuelle Verbindung zwangsläufig zur Zeugung von Nachkommen führt, wurden wahrscheinlich schon sehr früh in der Menschheitsgeschichte unterschiedliche Methoden der Verhütung angewendet. Erst seit wenigen Jahrzehnten ist es allerdings mit modernem Wissen und mit modernen Methoden möglich, Sexualität und Fortpflanzung zuverlässig zu trennen. Die heute übliche, sehr zuverlässige Verhütung ist ein wesentlicher Eingriff in 600 Millionen Jahre der Evolution.

Autor/Autoren: Dr. Susanna Kramarz

Letzte Bearbeitung: 23.07.2018

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