Die sexuelle Orientierung
Die sexuelle Orientierung, die sich im Jugend- und Erwachsenenalter ausprägt, umfasst die sexuellen Wünsche und Neigungen bezüglich des Geschlechts des Sexualpartners oder der Sexualpartnerin. Sie kann sich in Form von überwiegender Heterosexualität, Homosexualität und/oder Bisexualität äußern. Die sexuelle Orientierung ist auf einem Kontinuum anzusiedeln, wobei eine exklusive Homosexualität bzw. exklusive Heterosexualität die jeweiligen Pole eines Kontinuums darstellen.
Die Entwicklung der eigenen Sexualität ist ein wesentlicher Bestandteil des Erwachsenwerdens.
Die Zuordnung zu einer sexuellen Orientierung ist keineswegs immer endgültig, wobei sie meist im späten Jugendalter bzw. frühen Erwachsenenalter erfolgt. Es gibt aber deutliche Hinweise, dass sich Homosexualität bereits lange vor der Pubertät strukturiert.
Die Einstellung gegenüber Homosexualität ist in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften unterschiedlich. Entspricht die eigene sexuelle Orientierung nicht der mehrheitlichen heterosexuellen Ausprägung, kann es in ihrer Entfaltung mitunter zu massiven Konflikten kommen. Homo- und bisexuelle sowie inter- oder transsexuelle Menschen müssen im Vergleich zu heterosexuellen Personen bei der Entwicklung der eigenen sexuellen Identität wesentlich mehr «Identitätsarbeit» leisten. Sie leben in einem Umfeld, das typische Rollenbilder entwickelt hat und von heterosexuellen Normvorstellungen geprägt ist. Gleichzeitig müssen sie sich oft mit Diskriminierung und Feindseligkeiten auseinandersetzen, was psychische Belastungen zur Folge haben kann. Obwohl sich die Lebenssituation von Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und geschlechtlichen Identitäten in Deutschland in den vergangenen Jahren gebessert hat, werden Personen mit homo- oder bisexuellen Orientierungen überdurchschnittlich häufig in der Öffentlichkeit sowie in Bereichen der Freizeit aber auch in der Ausbildung oder am Arbeitsplatz diskriminiert.
Um Menschen mit unterschiedlichen sexuellen Orientierungen und Geschlechtsidentitäten vor psychischen Belastungen zu schützen, wäre es grundsätzlich wünschenswert, die Vielfalt der sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentitäten sichtbarer und vor allem selbstverständlicher werden zu lassen.
Quellen
- Birgit Delisle (2015): Jugendsexualität zwischen medialer Darstellung und individuellem Erleben. korasion Nr. 1, Januar 2015 (pdf)
- Birgit Köhler (2010): Junge oder Mädchen? Störungen der Geschlechtsentwicklung (DSD). korasion Nr. 1, Februar 2010
- Dr. med. Bernd Meyenburg und PD Dr. med. Annette Richter-Unruh (2012): Leben im falschen Körper – Transsexualität im Kindes- und Jugendalter. korasion Nr. 2, Mai 2012
- Gisela Gille (2015): „Ich höre was, was du nicht fragst…“ – Prävention mit 9- bis 14-jährigen Mädchen in der gynäkologischen Praxis. korasion Nr. 4, August 2015 (pdf)
- Erwin J. Haeberle (1985): Die Sexualität des Menschen (2. Aufl.). De Gruyter
- Herpertz-Dahlmann, Resch, Schulte-Markwort, Warnke (2005): Entwicklungspsychiatrie. Schattauer
- Studie im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes: Einstellungen gegenüber Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Deutschland Ergebnisse einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage, Januar 2017
- Bode, Heidrun, Heßling, Angelika (2015): Jugendsexualität 2015. Die Perspektive der 14- bis 25-Jährigen. Ergebnisse einer aktuellen Repräsentativen Wiederholungsbefragung. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln (pdf)