23.01.2012

Spiegel-Report zu Vitaminen und Mineralstoffen darf Schwangere nicht verunsichern

Wenn Schwangere nun aufgrund des Spiegelberichts die Supplementierung einstellen, nehmen Sie erhebliche gesundheitliche Risiken sowohl für sich als auch für die Gesundheit des Kindes in Kauf.

Über den Nutzen und die Risiken der Verwendung von Vitaminen und Mineralstoffen bedarf es sicher der Information und Aufklärung, wenn nahezu 30% der deutschen Bevölkerung derartige Mikronährstoffe regelmäßig in Form von Tabletten, Pulvern oder Säften verwenden. Dies v.a. auch deshalb, weil die in Deutschland dafür zuständigen Behörden (MRI; BfR, DGE; BZgA) sich seit Jahren durch eine inkonsistente und inkonsequente Position in dieser Frage auszeichnen.

Die DGE gibt in Abstimmung mit den Gesellschaften in Österreich und der Schweiz regelmäßig Ernährungsempfehlungen und Zufuhrempfehlungen für Mikronährstoffe heraus. Epidemiologische Untersuchungen mit Labordaten und Ernährungsprotokollen (Nationale Verzehrsstudie, Bundesgesundheitssurvey) zeigen regelmäßig, dass große Anteile der Bevölkerung mit einigen dieser Mikronährstoffen durch die normale Ernährung in hohem Maße unterversorgt sind. Dies gilt gerade auch für Schwangere, bei denen die DGE einen z.T. deutlich erhöhten Zufuhrbedarf empfiehlt. Gleichwohl ist von prominenter Seite der anderen Institutionen regelmäßig zu hören, dass es bei einer gesundheitsbewussten Ernährung - vielleicht von Folsäure abgesehen - einer Supplementierung nicht bedürfe.

Unser Institut verfügt im Rahmen des Programms zur Verringerung von Frühgeburten -BabyCare - über mehr als 20.000 Ernährungsdaten von Schwangeren und auch Nichtschwangeren. Die folgende Tabelle zeigt die Fakten.

Bei 12 Mikronährstoffen werden in der Schwangerschaft erhöhte Zufuhrmengen empfohlen, die von +100% bei Eisen, über +50% bei Folsäure bis zu +10% bei Vitamin C reichen. Vitamin D wurde hier zusätzlich berücksichtigt, weil die DGE aktuell hier die Zufuhrempfehlung von 5 auf 20 Mikrogramm auf das Vierfache erhöht hat.

Die weiteren Daten zeigen die tatsächliche Mikronährstoffzufuhr auf der Grundlage der Ernährungsprotokolle des BabyCare-Programms für eine Aufnahme <70% und <50% vom jeweiligen Sollwert. Die Fakten sind eindeutig und für Ernährungswissenschaftler nicht neu. Während bei der Mehrzahl der Mikronährstoffe die Zufuhrempfehlungen schon vor und auch in der Schwangerschaft durch die übliche Ernährung gedeckt werden können, ist dies bei Eisen, Folsäure, Jod und Vitamin D schon vor aber gerade in der Schwangerschaft nicht der Fall. Über die Hälfte der Schwangeren nehmen weniger als 50% der empfohlenen Mengen zu sich. Bei Vitamin D erreicht vor und in der Schwangerschaft praktisch keine Frau die neuen Zufuhrempfehlungen. Vor der Erhöhung, d.h. bei einer Aufnahmeempfehlung von 5 Mikrogramm hatten immerhin 50% Vitamin-D Aufnahmen von über 50%.

Wenn Schwangere nun aufgrund des Spiegelberichts die Supplementierung einstellen, nehmen Sie erhebliche gesundheitliche Risiken sowohl für sich als auch für die Gesundheit des Kindes in Kauf.

Für Schwangere bedeutet Eisenmangel ein zusätzliches und vermeidbares Risiko; neben der Belastung für die Mutter kann dies zu Komplikationen für das Kind führen. Er steht in Zusammenhang mit Früh- oder sogar Totgeburten, aber auch mit einem zu geringen Geburtsgewicht des Kindes, was dann oft eine für das Neugeborene meist ziemlich schwierige Eisengabe nötig macht. Bei Kindern sind später oft schnelle Ermüdbarkeit, eingeschränktes Leistungsvermögen und Lern- und Konzentrationsstörungen typische Folgen der Unterversorgung mit Eisen. Eisenmangel im Kleinkindalter gefährdet die geistige Entwicklung. Es besteht möglicherweise auch ein Zusammenhang zwischen dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADHS) und Eisenmangel.

Der Mangel an Folsäure führt zu einem erhöhten Fehlbildungsrisiko des Kindes. Folsäuremangel erhöht auch das Risiko für Fehl- und Frühgeburten. Studien zeigten, dass eine sehr gute Versorgung mit 800 Mikrogramm Folsäure mindestens vier Wochen vor der Zeugung bis zur 12. Schwangerschaftswoche das Risiko für Fehlbildungen um bis zu 70 Prozent senkt.

Jodmangel kann neben einem Kropf beim Neugeborenen (und bei der Mutter) zum geistigen Zurückbleiben des Kindes führen. Schilddrüsenhormone spielen bei der fetalen Gehirnentwicklung eine herausragende Rolle. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass auch leichte Formen der Schilddrüsenunterfunktion bei Schwangeren, die häufig unerkannt bleiben, die Intelligenz der Kinder mindern.

Es gibt Hinweise darauf, dass ein Mangel an Vitamin D in der Schwangerschaft in einem Zusammenhang mit einem geringen Geburtsgewicht des Kindes steht, auch wenn hier zweifellos dringend weiterer Forschungsbedarf besteht.

Auch die häufig auch von „Experten" geäußerte Meinung, bei einer gesunden Ernährung sei eine Supplementierung nicht notwendig, lässt sich auf der Grundlage unserer Daten eindeutig wiederlegen. Vergleicht man die im BabyCare-Fragebogen erfragten Ernährungstypen (Gesund und natürlich, gesund und fit vs. Schnell und preiswert, schnell und bequem) so ist die Mikronährstoffversorgung beim gesunden Ernährungstyp zwar deutlich besser, die Zufuhrempfehlungen werden aber auch hier keinesfalls erreicht.

Die für die genannten Stoffe empfohlene Supplementierung in der Schwangerschaft kann man nur in Frage stellen, wenn man die Zufuhrempfehlungen der DGE insgesamt als zu hoch betrachtet. Hier kann man aber nicht nur auf geringere Zufuhrempfehlungen der WHO verweisen, sondern sollte auch auf deutlich höhere z.B. in den USA hinweisen.

Der Spiegel Bericht kann u.E. aber auch zu einem vernünftigeren Umgang mit der Supplementierung in der Schwangerschaft beitragen. Der „Blindflug" in der Supplementierung sollte beendet werden. Supplemente sollten individuell und bedarfsorientiert zugeführt werden. Grundlage dafür sind Ernährungsanalysen wie im BabyCare-Programm und/oder Blut/Serumanalysen, die allerdings höhere Kosten verursachen. Gleichwohl müssten Letztere im Rahmen einer rationalen und präventiv ausgerichteten Gesundheitspolitik zumindest für Eisen und Vitamin D dringend in Erwägung gezogen werden.

"Während der Schwangerschaft besteht ein erhöhter Bedarf für zahlreiche Vitamine und Spurenelemente. Wenn eine Schwangere versucht, diesen Bedarf nur über die Ernährung zu decken, kann dies in vielen Fällen zu einer Mangelsituation führen", warnt Prof. Dr. med. Klaus Friese, Direktor der Universitäts-Frauenkliniken der Ludwig-Maximilians-Universität München. Zumindest für Eisen und Vitamin D müssten in diesen Fällen gegebenenfalls Blut- bzw. Serumanalysen erwogen werden, um auszuschließen, dass die Mangelsituation sich für Mutter und Kind schädlich auswirkt."

Quelle: Pressemitteilung Baby-Care

Autor/Autoren: äin-red

Herausgeber:

Logo: Berufsverband der Frauenärzte e.V.

In Zusammenarbeit mit:

Logo: Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.

 

 

Datenschutz Gütesiegel

Weitere Gesundheitsthemen

Anästhesiologie www.anaesthesisten-im-netz.de

Allgemeine & Innere Medizin www.internisten-im-netz.de

HNO-Heilkunde www.hno-aerzte-im-netz.de

Kindergesundheit www.kinderaerzte-im-netz.de

Kinderrehabilitation www.kinder-und-jugendreha-im-netz.de

Lungenheilkunde www.lungenaerzte-im-netz.de

Neurologie & Psychiatrie www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org

Onkologische Rehabilitation www.reha-hilft-krebspatienten.de