14.09.2016

PCOS kann erfolgreich behandelt werden

Das polyzystische Ovarien Syndrom (PCOS) geht nicht nur mit körperlichen Beschwerden einher sondern kann auch massive Einschränkungen im Bereich der Lebensqualität, der Lebenszufriedenheit und der Sexualität bedeuten.

Dunkler Flaum auf der Oberlippe, in den Randbereichen des Gesichts, am Kinn und manchmal auch auf dem Dekolleté, breite, dichte Augenbrauen, eine Schambehaarung, die sich bis auf die Oberschenkel und in einem breiten Streifen bis zum Bauchnabel zieht, dunkle Haare auf den Waden... Manche Mädchen und Frauen sind Dauerkäuferinnen von Enthaarungscremes und Rasierern, probieren immer neue Varianten von Epiliergeräten, Wachs und Laser, um das alles einigermaßen im Griff zu behalten, trauen sich nicht in Schwimmbad und Sauna und tragen auch im Sommer lange Hosen und Hemden. Wenn sie dazu auch noch unter Akne leiden, unter dünnem, fettigem Kopfhaar und heftigem Haarausfall, dann ist das Leid komplett. „Ich bin nicht schön und ich werde so bleiben" - das legt sich wie ein bleischweres Gewicht auf die Seele. Dass die Regel nur ganz selten kommt, das fühlt sich dabei an wie eine Nebensache. Dass es wahrscheinlich auch mit dem Kinderwunsch nicht klappen würde, wissen viele Mädchen und Frauen nicht, die von diesen Symptomen betroffen sind, und das ist - zumindest in leichter Form - Deutschland ungefähr jede Zehnte.

„Frauen, die diese Symptome an sich beobachten, sollten sich in der Frauenarztpraxis untersuchen lassen", betont Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover. „Denn in vielen Fällen liegt all diesen Symptomen eine Erkrankung der Eierstöcke zugrunde, die gut behandelt werden kann." Neben den oben erwähnten Veränderungen von Haut und Haaren zeigen sich im Ultraschall sich dann dicht an der Außenhülle der Eierstöcke viele kleine Bläschen, die der Krankheit ihren Namen gegeben haben: Viele = Poly, Bläschen = Zysten/Follikel, Eierstock = Ovar, also Polycystisches Ovarsyndrom, abgekürzt PCOS. Dabei sind die Bläschen, in denen sich die bislang unreifen, nicht weiterentwickelten Eizellen befinden, auch nur eine Folge der zu Grunde liegenden Erkrankung:

Die Zellschicht, die diese unreifen Eizellen umgibt, ist - vermutlich durch eine genetische Veränderung, aber auch mitverursacht durch ein Zuviel des Stoffwechsel-Hormons Insulin - nicht empfindlich genug für das Hormon, das sie eigentlich zur Reifung anregen sollte (genannt Follikel-stimulierendes Hormon, FSH).Zudem verlieren die Eierstöcke durch diese Unempfindlichkeit die Fähigkeit, das männliche Hormon Testosteron, das regelmäßig auch bei Frauen gebildet wird und unter anderem als Vorstufe zu den Östrogenen dient, in Östrogen umzuwandeln. Männliche Hormone „stauen" sich dadurch im Körper an, zumal es zu einem Verständigungsproblem zwischen Eierstöcken und Gehirn kommt: Das Gehirn interpretiert die ungenügende Ausschüttung des Östrogen als ausbleibende Reifung der Eizelle. Möglicherweise ist das neben anderen hormonellen Veränderungen eine Erklärung dafür, warum das Gehirn vermehrt Luteinisierendes Hormon (LH) ausschüttet, das zusammen mit dem schon oben erwähnten FSH die Weiterentwicklung der Follikel und die Bildung von Gelbkörperhormon in der zweiten Zyklushälfte unterstützen soll. Durch diese Mechanismen werden aber - als Östrogen-Vorstufe - nur noch mehr Androgene gebildet.Es kommt eine Unempfindlichkeit der Körperzellen auf Insulin hinzu (im Fachbegriff "Insulin-Resistenz"), was den Körper anregt, immer mehr Insulin auszuschütten. Insulin fördert aber zusätzlich die Herstellung männlicher Hormone und verstärkt die Neigung, Nahrungsenergie in Fettspeichern abzulagern.Ist das Mädchen oder die Frau auch übergewichtig, so verstärkt das sämtliche der oben erwähnten fehlerhaften Regelkreise und kann aus einer leichten Neigung zum PCOS eine vollständig ausgeprägte Erkrankung machen.

Unbehandelt schreitet die Krankheit fort

Wird die Krankheit nicht behandelt, so schreitet sie immer weiter fort, und es bleiben nicht nur sämtliche kosmetischen Probleme dauerhaft bestehen. Häufig ist es der Frau auch nicht möglich, ohne frauenärztliche Hilfe schwanger zu werden; Fehlgeburten sind häufiger, und das Risiko, an Diabetes, Herzinfarkt, Schlaganfall, Thrombosen und einer schweren Schilddrüsenstörung zu erkranken, steigt erheblich an und auch das Abnehmen wird mit der Zeit immer schwieriger. Wenn eine Frau mit einem nicht ausreichend behandeltem PCOS schwanger wird, so gelangen zudem die erhöhten Mengen an männlichen Hormonen, die sich in ihrem Blut befinden, auch zu ihrem ungeborenen Baby. Wenn es sich um ein Mädchen handelt, so erhöht das die Gefahr, dass das Mädchen später ebenfalls an PCOS erkranken wird.

„Die Behandlung hat mehrere Fundamente", betont Prof. Dr. med. Rudolf Seufert, Leiter des Hormon- und Kinderwunschzentrums am Universitätsklinikum Mainz. „Zum einen geben wir dem Mädchen bzw. der Frau die wirklich dringende Empfehlung, abzunehmen, und zwar unbedingt mit einer Kombination aus weniger Essen und viel mehr Bewegung. Das ist gerade beim PCOS schwieriger als bei übergewichtigen Frauen ohne diese Erkrankung, weil der Energiestoffwechsel gestört ist. Aber das ist mehr als nur ein gutgemeinter Ratschlag - das ist die notwendige Essenz der Therapie, um die Insulinresistenz zu durchbrechen." Denn schon wenn ein Zehntel des Körpergewichts abgenommen wird, können sich die Regelkreise des Hormonsystems oft deutlich erholen, so dass viele der Symptome erkennbar geringer werden. Auch die Chancen für eine spätere, natürliche Schwangerschaft erhöhen sich dadurch deutlich.

Die richtige hormonelle Verhütung ist gleichzeitig Therapie

Ein zweites Standbein ist die hormonelle Therapie, um regulierend in die Krankheitsprozesse des PCOS einzugreifen. "Dafür ist eine Behandlung mit hormonellen Verhütungsmitteln mit einer Östrogen-Gestagen-Kombination das Mittel der Wahl. Dabei werden vorzugsweise Gestagene verwendet, die eine antiandrogene Wirkung besitzen, also die Wirkung der männlichen Hormone aufheben. Diese Arzneimittel unterbrechen die fehlerhaften Regelkreise und verringern unter anderem die Ausschüttung des LH im Gehirn", erläutert Priv.-Doz. Dr. med. Nicole Sänger, Leiterin des Zentrums für Hormonerkrankungen und Fortpflanzungsmedizin an der Universitätsfrauenklinik Frankfurt und Vorstandsmitglied in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF). "Dadurch wird die ständige Überproduktion von männlichen Hormonen in den Eierstöcken deutlich reduziert. Diese Maßnahme wirkt sich schon innerhalb weniger Wochen nicht nur positiv auf die oft erheblichen kosmetischen Probleme aus. Die Frauen bekommen durch die Verhütungsmittel - oft erstmals in ihrem Leben - normale monatliche Blutungen und die Zuversicht, dass es möglich ist, ihre Krankheit in den Griff zu bekommen und ein ganz normales Leben zu führen."

In Zusammenarbeit mit endokrinologisch versierten Internisten ist auch eine Behandlung mit Arzneimitteln möglich, die in die gestörten Regelkreise der Energiegewinnung eingreifen und sie wieder in Ordnung bringen. Oft gelingt es in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Frauenärzten und Internisten durch diese Maßnahmen innerhalb eines halben Jahres, dass die Eierstöcke wieder ihre normale Funktion aufnehmen. „Die Frauen können dann in vielen Fällen sogar schwanger werden ohne eine spezielle hormonelle Kinderwunschbehandlung", betont Prof. Seufert. Denn eine Kinderwunschbehandlung bei PCOS ist zwar im Prinzip möglich. Sie kann aber viel Zeit und Geduld erfordern, und es treten während der hormonellen Stimulation häufiger Komplikationen auf als bei gesunden Frauen.

„Wenn diese Frauen schwanger werden wollen, ist es neben dem Abnehmen und der medizinischen Behandlung sehr wichtig, dass sie auch aufhören zu rauchen", betont Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte und niedergelassener Frauenarzt in Hannover. "Denn Rauchen verschlechtert die Chancen, schwanger zu werden, erheblich." Die gute Nachricht für Frauen mit Kinderwunsch ist allerdings, dass Rauchstopp, Abnehmen und eine moderne, interdisziplinäre Behandlung eine deutliche Verbesserung ihrer Fruchtbarkeit bewirken können. Dr. Albring fasst zusammen: „Wenn ein Mädchen oder eine Frau den Verdacht hat, dass sie unter einer solchen hormonellen Veränderung leidet, dann sollte sie deshalb so bald wie möglich zu ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt gehen und mit ihm über alle Fragen und Unsicherheiten sprechen."

Pressemitteilung: BVF 2016

Autor/Autoren: äin-red

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