01.08.2018

Hilft Vaginalsekret dem Immunsystem von Kaiserschnitt-Babys?

Kaiserschnitt-Kinder haben eine andere Darmflora als Babys, die auf natürlichem Weg zur Welt gekommen sind. Vaginalsekret könnte hier Abhilfe leisten. Die Methode ist im Ausland schon gefragt - doch noch kaum getestet, warnen Experten.

Mikrobiom auf menschlichem Körper

Bakterien auf dem menschlichen Körper

Für die Gesundheit ihres Babys würden die meisten Eltern wohl vieles ausprobieren. Ein neuer Trend aus dem Ausland heißt Vaginal Seeding. Die Methode soll Kindern, die per Kaiserschnitt zur Welt kommen, beim Aufbau des Immunsystems helfen. Dafür wird der Mutter wenige Minuten vor der Geburt eine mit steriler Kochsalzlösung getränkte Mullbinde in die Scheide eingeführt. Mit dem so aufgesaugten Vaginalsekret wird das Neugeborene dann eingerieben und ein Teil der Flüssigkeit wird auch in den Mund getropft. Doch weil die Methode noch nicht ausreichend getestet sei, raten Experten, Studien abzuwarten.

Bakterien spielen auf und im menschlichen Organismus eine große Rolle

Bakterien schützen in der Regel vor Krankheiten, leben im Einklang mit dem Menschen, sagt Frank Louwen von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Doch das sogenannte Mikrobiom ist bei Kaiserschnitt-Kindern anders als bei Babys, die auf natürlichem Weg geboren werden. Bei letzteren gleicht die Darmflora jener der Mutter, da das Kind im Geburtskanal Vaginalsekret schluckt. Vaginal- und Darmflora seien sehr ähnlich, erklärt Louwen.
Dagegen hätten Kaiserschnitt-Kinder vor allem Bakterien im Darm, die sich sonst auf Händen und im Gesicht ansiedeln. Es sind die ersten Bakterien, mit denen diese Babys im Kreißsaal in Kontakt kommen. «Nachweislich haben Kaiserschnitt-Kinder eine höhere Wahrscheinlichkeit, Krankheiten wie Adipositas, Diabetes und Allergien zu bekommen», sagt Louwen.

Studien sollen Chancen von „impfen“ mit Vaginalsekret klären

Hier soll Vaginal Seeding Abhilfe schaffen - nach dem Motto: gleiche Darmflora = gleiches Immunsystem = gleicher Schutz. Doch aus Sicht der DGGG gibt es noch keine Belege für den langfristigen Erfolg. Daher müsse die Methode in klinischen Studien untersucht werden. Da laufen gerade weltweit mehrere - auch unter Louwens Regie am Uniklinikum in Frankfurt am Main. Bis Ergebnisse vorliegen, werde es aber vier bis sechs Jahre dauern. «Eine Frage ist zum Beispiel auch, ob wir genug Keime auf das Kind bekommen», sagt Louwen. Es könne einen Unterschied machen, ob das Baby zwei Stunden in der Scheide liege oder zehn Sekunden betupft werde.

Viele Fragen noch ungeklärt

Die Ärztin Nina Drexelius wirft in einem Beitrag für das Magazin «Hebammenforum» (Maiausgabe) die Fragen auf, welche Bakterienarten Kindern nutzen, welche Körperstellen eingerieben werden sollten und ob eine wiederholte Anwendung effektiver sei. Drexelius vergleicht Vaginal Seeding mit Saatbomben aus Blumensamen, mit denen sogenannte Guerillagärtner Grünstreifen am Straßenrand erblühen lassen.

Experte warnt eindringlich vor voreiligen Maßnahmen

Louwen warnt davor, Vaginal Seeding jenseits von Studien anzuwenden. «Im Moment wird aller Unsinn damit gemacht. Krankenhäuser bieten das an, ohne zu wissen, ob das was bringt. Nur um Frauen das Gefühl zu geben, up to date zu sein», kritisiert er. «Das wird als Marketinginstrument genutzt. Aber dafür ist Medizin nicht da.» Wichtig sei, dass Ethikkommissionen die Studien unterstützen: «Dann können sich Eltern darauf verlassen, dass das Hand und Fuß hat.»

Quelle: dpa (bearbeitet durch äin-red)

Autor/Autoren: äin-red

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