02.07.2018

Genitalverstümmelung: erhebliche Folgen für die körperliche und psychische Gesundheit

Weibliche Genitalverstümmelung erhöht das Risiko für seelische Erkrankungen und verändert die körperlichen Reaktionen auf Stress.

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM) ist bereits seit 1992 offiziell von den Vereinten Nationen als Menschenrechtsverletzung anerkannt. Dennoch sind die Erfolge, Verstümmelung von Neugeborenen und jungen Mädchen zu verhindern, oft begrenzt. Ein Schnitt in die Klitoris oder deren vollständige Entfernung sowie die Beschneidung und das Zusammennähen der Schamlippen stellen verschiedene Schweregrade dar. Zusammengewachsene Schamlippen werden durch Geschlechtsverkehr oder dem Gebären eines Kindes oft brutal auseinandergerissen und anschließend wieder zusammengenäht (Infibulation).

Traumatisierung und Depression als Folge

Unter der Leitung des Konstanzer Neuropsychologen Prof. Dr. Thomas Elbert analysierten Dr. Anke Köbach und Dr. Martina Ruf-Leuschner erstmals in einer umfassenden wissenschaftlichen Studie systematisch die Folgen von FGM auf Körper und Psyche. Die Untersuchungen fanden in der äthiopischen Somali-Region unter den Volksgruppen der Somalis, Amhara und Oromo statt und damit in einem kulturellen Umfeld, in dem diese Tradition praktiziert wird. Dabei bestätigte sich, dass die Frauen nicht nur körperlich, sondern auch psychisch verletzt werden. In jedem Fall werden sie verletzlicher für Trauma-Folgestörungen wie Posttraumatische Belastungsstörung und Depression. Die Folgen sind besonders gravierend in der Gruppe von Frauen, die unter den invasivsten Formen solcher Maßnahmen leiden müssen. So haben fast 20 Prozent dieser jungen Frauen im Alter von durchschnittlich 32 Jahren eine posttraumatische Belastungsstörung. Dabei treten massive Folgen der Traumatisierung insbesondere bei Personen auf, die weitere Bedrohungen für Leib und Leben erfahren mussten.

Auch die Stressregulation des Körpers präsentiert sich bei diesen Frauen in veränderter Form. Dies konnte das Team der Konstanzer Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Klinische Neuropsychologie anhand der Dichte des Stresshormons Kortisol untersuchen, das sich in Haaren angereichert hatte. Frauen mit schweren Formen von Genitalverstümmelung weisen erhöhte Werte auf. Aber auch bei Frauen, die eine Genitalverstümmelung im Säuglingsalter erleben mussten, finden sich erhöhte Werte. Anke Köbach stellt fest: „Auch wenn sich Frauen nicht bewusst an den Vorgang der Beschneidung erinnern können, so tragen sie doch die Erinnerung in ihrem biologischen System ein Leben lang mit sich.“

Originalveröffentlichung: Anke Köbach, Martina Ruf-Leuschner, Thomas Elbert: “Psychopathological sequelae of female genital mutilation and their neuroendocrinological associations. BMC Psychiatry, 13. Juni 2018. doi.org/10.1186/s12888-018-1757-0

Quelle: Pressemitteilung Universität Konstanz auf idw

BVF seit Jahren engagiert

Der Berufsverband der Frauenärzte unterstützt seit vielen Jahren eine Geburtsklinik in der Danakil-Wüste im Norden Äthiopiens, die Hilfe für genitalverstümmelte Mädchen und Frauen bietet. Das Projekt ist das Ergebnis des Engagements der Hilfsorganisation TARGET e.V.. Zusammen mit dem Berufsverband der Frauenärzte baut TARGET e.V. derzeit ein Netz von erfahrenen Frauenärztinnen und Frauenärzten, aber auch von Hebammen und medizinischem Fachpersonal aus Deutschland auf, die sich über unterschiedliche Zeiträume ehrenamtlich in der Klinik engagieren und so den Betrieb dieses Projekts überhaupt ermöglichen.

Autor/Autoren: äin-red